Juni 29, 2020

Punkt.

Von Staehelin

Digitale Demokratie stärken

Intelligente Digitalisierung kann die demokratische Teilhabe stärken. Damit wird Demokratie wirksam erlebbar gemacht, die Transparenz erhöht und die politische Kommunikation erleichtert. Dies braucht die Gestaltung eines klugen Umfelds, das die digitale Mündigkeit fördert, um einen souveränen und verantwortlichen Umgang mit den neuen digitalen Möglichkeiten wahrscheinlicher zu machen. Aber nur mit einer öffentlichen Verwaltung, die kritisch, aktiv, engagiert und transparent sich selbst digitalisiert, wird es gelingen, eine digitale Infrastruktur – technisch und rechtlich – zu entwickeln, die unser demokratisches Gemeinwesen stärkt. Die Herausforderungen der Digitalisierung liegen also nicht allein auf technischer, sondern mehr auf sozialer, politischer und organisatorischer Ebene.

“Die Digitalisierung ist sicherlich transformativ, aber weder nachhaltig noch trägt sie zum Gemeinwohl bei… per se. Wie jede andere Technologie formt und informiert sie politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Wahrnehmungen, aber nichts davon ist von Natur aus gut.” formuliert André Reichel, Professor für International Management & Sustainability an der International School of Management in Stuttgart auf seinem Blog über Digitalisierung und soziale Innovation.

Überfordernde Entwicklungen

“Digitalisierung steht nicht bloß für Phänomene wie Automatisierung oder digitale Massenkommunikation, sondern viel grundlegender für einen Wandel unserer Lebenswelt, der auch unser Selbstverständnis und das Verständnis von Gesellschaft insgesamt betrifft.”

Felix Stalder, Grundformen der Digitalität, agora42, 02/2017

Die öffentliche Verwaltung tut sich aktuell noch schwer mit der Digitalisierung. Leuchtturm-Initiativen und Förderungs-Marketing auf der einen Seite, stehen Abschottung und Zurückhaltung auf der anderen gegenüber.  Gleichzeitig beklagen sich die Mitarbeitenden des öffentlichen Sektors über „schlechtere“ Technik am Arbeitsplatz als Zuhause. Als Bürger*innen erwarten wir zunehmend eService-Lösungen und „Einkaufs-Erfahrungen“ wie wir sie aus unserem „privaten, digitalen Leben“ kennen.

Digitalisierung ist also keine Option, sondern passiert – jetzt, im Moment. Sie ist aktuell eine der stärksten verändernden Kräfte in Wirtschaft und Gesellschaft. Auch die öffentliche Verwaltung und die kommunale Welt ist zunehmend diesen globalen Vernetzungen und Wirkungen ausgesetzt. Digitalisierung bietet eine neue Qualität von Werkzeugen: Künstliche Intelligenz (KI), Augmented Reality (AR) und Machine Learning (ML), die radikal neuartige Lösungen (z.B. Entscheidungsunterstützung, Chatbots, digitale Assistenten) ermöglichen. Ebenso stellen sie uns durch ihre “Nebenwirkungen” vor ungeahnte Herausforderungen: fakeNews, vorurteilsbehaftete Algorithmen und wachsende Cyber-Kriminalität. Immer neue, smarte Anwendungen breiten sich rasant im Alltag und Leben der Menschen aus und schaffen “digitale Räume”, die für uns nur schwer zu verstehen sind. Diese Entwicklung macht vor der öffentlichen Verwaltung nicht halt. Künstliche Intelligenz im Verwaltungshandeln und das Internet der Dinge und Services (IoT) als Basis für “Smart City” oder die “intelligente Gemeinde” haben Fahrt aufgenommen. Das Angebot an digitalen Lösungen und Dienstleistungen für Sicherheitsfragen (Gesichts- und Bewegungsmuster-Identifikation), Umwelt (Datenbasierte Verkehrsüberwachung /-führung) oder Verwaltungsautomatisierung (eAkte, ServiceBots, IoT) u.a. wächst stetig. Gleichzeitig kontrollieren eine kleine Schar an Plattformbetreibern und Digital-Infrastruktur-Dienstleistern den Markt. Kritiker warnen, dass unsere öffentlichen Institutionen zunehmend in Gefahr geraten,  von internationalen Digitalkonzernen abhängig und als Bürger auf die Rolle des “Nutzers” bzw. Service-Konsumenten reduziert zu werden.